Die Geschichte der Sexualdarstellung im Film ist ein faszinierendes Kapitel der Mediengeschichte, das nicht nur technische Entwicklungen, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen widerspiegelt. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen wissenschaftlichen Blick auf diese spannende Entwicklung.
Die Anfänge: Experimentelle Kurzfilme der Jahrhundertwende
Die ersten Sex-Kurzfilme, die um die Jahrhundertwende entstanden, werden oft als primitiv und rudimentär bezeichnet. Diese Filme waren nicht nur in ihrer technischen Ausführung ungeschliffen, sondern auch in ihrer Erzählweise. Die filmische Erzählstruktur war kaum entwickelt. Die Faszination des Publikums war mehr auf die Bewegung selbst gerichtet Diese frühen Filme waren eine Art „(genitale) Schau“, die den Zuschauer eher in einen voyeuristischen Kontext versetzte.
Das zentrale Element der heutigen Pornografie fehlte noch, der sogenannte „Money Shot“. Statt des Beweises der Befriedigung (des Mannes, nämlich der Ejakulation), gab es das Phänomen des „Meat Shots“, bei dem der Höhepunkt eines Films oft in einer Großaufnahme des Geschlechtsaktes gipfelte. Diese Art der Darstellung diente als „Beweis der Penetration“ und symbolisierte die Lust.
Der Wandel zur narrativen Struktur
Mit der Zeit verschob sich der Fokus im Porno von der reinen Erregung hin zur Befriedigung. Der Wandel vom „Meat Shot“ zum „Cum Shot“ verdeutlicht diesen Übergang. Während der „Meat Shot“ die sexuelle Handlung dokumentierte, wurde der „Cum Shot“ zum zentralen Moment, der die Befriedigung visuell darstellte. Diese Entwicklung wurde durch die Erfindungen von VHS und später dem Internet vorangetrieben, die es ermöglichten, Pornografie in die Privatsphäre der eigenen vier Wände zu bringen. Nun wurden die Filme nicht mehr zur Aufreizung in Etablissements gezeigt, um sexuelle Services zu verkaufen, sondern zuhause, um sich selbst zu befriedigen – vom „Meat“ zum „Cum“, von der Lust zur Befriedigung.
Das Internet und neue Genres wie Fem oder Queer Porn
Ein besonders wichtiger Aspekt in der Entwicklung des Genres ist die Darstellung von Geschlechterrollen. Pornografie schloss Frauen historisch betrachtet aus – in den Bordellen oder Herrenparties war nur männliche Kundschaft erlaubt. Während frühe Filme oft eine sehr einseitige, männlich geprägte Perspektive zeigten, entwickelte sich im Laufe der Zeit eine kritischere Auseinandersetzung mit Geschlechterdarstellungen:
- Die Rolle der Frau wandelte sich von der reinen Objektdarstellung zu komplexeren Charakterisierungen
- Feministische Filmemacherinnen begannen, eigene Perspektiven einzubringen
- Die Vielfalt der dargestellten Körper und Begehren nahm zu
Eine analytische Komponente hierfür hat Linda Williams, Pionierin der Porn Studies erarbeitet. Sie unterscheidet zwischen Protagonist (Subjekt) und Thema (Subject matter) und verdeutlicht die männliche Dominanz in der Repräsentation.
Das Internet hat nicht nur die Vertriebswege verändert, sondern auch neue Formate hervorgebracht. Amateur-Produktionen und „Gonzo“-Stil Aufnahmen, bei denen die Kameraführung Teil der Handlung ist, gewannen an Bedeutung. Die heutige Entwicklung zeigt eine zunehmende Diversifizierung des Genres. Feministische und queere Perspektiven gewinnen an Bedeutung und fordern traditionelle Darstellungsweisen heraus. Diese Pluralisierung der Bilder und Narrative spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider und trägt zu einer inklusiveren Darstellung von Sexualität bei.
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Das Buch Feminismus fickt! von Patrick Catuz über Perspektiven feministischer Pornoindustrie führt ihn von einer Kulturgeschichte zu seinen eigenen Erfahrungen bei Fem Porn Produktionen von Erika Lust.