Weibliche Repräsentation und industrielle Umwälzungen
Die Kritik am Bestehenden ist nur der Anfang. Der nächste Schritt ist die Aneignung medialer Produktion zur tatsächlichen Realisierung feministischer Interventionen. Dies erfordert nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Strukturen, sondern auch die aktive Teilnahme von Frauen im Produktionsprozess. Es ist ermutigend zu sehen, dass immer mehr Frauen den Mut finden, eigene Filme zu produzieren und somit die Grenzen des Genres zu erweitern. Das ist zu einem kleinen Erfolgsrezept geworden, das nicht unbemerkt geblieben ist.
Traditionell wurden Frauen in der Industrie als Darstellerinnen und vielleicht noch Make-Up Artists akzeptiert. Bei der besetzung von Schlüssenpositionen waren sie unterrepräsentiert – als Konsumentinnen nicht beachtet. Die Pornoindustrie hat nun begonnen, die Wünsche und Gelüste von Frauen als Konsumentinnen zu erkennen. Diese Entwicklung ist nicht aus Altruismus, sondern aus dem Drang zur Markterweiterung entstanden.
Ab Mitte der 80er Jahre begannen Frauen, eigene Filme zu produzieren, um alternative Darstellungsweisen von Sexualität zu schaffen. Ein Beispiel für diese Bewegung sind die „New Pornographers“, die versuchen, feministisch ambitionierte Pornographie zu erstellen, wobei sie verschiedene Ansätze verfolgen. Erst mit dem Internet wurde das auch kommerziell erfolgreich.
Frauen nehmen zwar nicht in den großen Firmen, aber in eigenen Unternehmen zunehmend Schlüsselpositionen in der Produktion ein und gestalten die Inhalte aktiv mit – bestehende große Firmen am Markt wollen sich die Stücke des Kuchens nicht streitig machen lassen und versuchen, einzusteigen. Der Markt für „Porno für Paare“, „Porno für Frauen“ und feministischen Porno wächst stetig. Kritiker mögen behaupten, dass es sich hierbei lediglich um Marketingstrategien handelt, doch es zeigt sich, dass diese neuen Ansätze tatsächlich Alternativen zum traditionellen Mainstream-Porno bieten – wenngleich diese Impulse auch von außen kommen.
Fem Porn
Die Herausforderung, Pornografie aus feministischer Sicht neu zu denken, ist historisch betrachtet nicht zu unterschätzen. Während traditionell einige Feministinnen Pornografie als inhärent schädlich betrachten, gibt es Stimmen, die argumentieren, dass eine feministische Aneignung von Pornografie die Möglichkeit bietet, patriarchalische Normen zu subvertieren und neue Formen der sexuellen Ausdrucksweise zu schaffen. Es ist wichtig, dass wir uns den Herausforderungen stellen, die diese Diskussion mit sich bringt, und dass wir den Mut finden, neue Wege zu gehen.
Die Regisseurin Erika Lust wird als Beispiel für eine Feministin genannt, die versucht, Pornographie für Frauen zu gestalten. Sie betont, dass ihre Filme die Perspektive von Frauen einnehmen und die weibliche Lust in den Mittelpunkt stellen sollten. Lust hat auch auf Kritik reagiert, indem sie in ihren Filmen Kondome verwendet, um Safer Sex zu fördern, was in der herkömmlichen Pornoindustrie oft vernachlässigt wird. In ihrem Kurzfilm „jodetecarlos.com“ wird plant die Protagonistin Sonia eine Racheaktion gegen ihren untreuen Ehemann Carlos, was zu einem Dreier mit zwei Männern führt. Der Film zeigt, wie Sonia die Kontrolle über ihre Sexualität und die Situation übernimmt, was als Zeichen für weibliche Selbstermächtigung interpretiert wird. Gleichzeitig schafft Erika Lust es nicht, über das Homosexualitätsverbot von heterosexuellen Männern hinaus zu gehen – der Dreier ist mehr ein doppelter Zweiter: Beide Männer haben mit der Frau Sex, nicht jedoch miteinander.
Und dennoch zeigt Lust einen Umstand, den man im Porno selten sieht und führt etwas neues, früher Unrepräsentierbares ein: Männliches Scheitern, dass dardurch keines sein muss. Denn einer der Männer hat etwas Schwierigkeiten mit seiner Erektion. Er kann allerdings zurückkommen. Ein kleiner Schritt, fast revolutionär hätte es hingegen gewirkt, wenn man nicht nur gezeigt hätte, dass Männer auch mal nicht können (auch im Porno) und dadurch nicht weniger männlich sind, sondern auch, dass sie nicht immer hart sein müssen, um sexuell interagieren zu können, bzw. dass es beim Sex nicht immer um Penetration gehen muss.
Aber geben wir dem Fem Porn Zeit. Veränderung geschieht wohl nicht von einem Tag auf den anderen.
Mehr dazu:
Das Buch Feminismus fickt! von Patrick Catuz über Perspektiven feministischer Pornoindustrie führt ihn von einer Kulturgeschichte zu seinen eigenen Erfahrungen bei Fem Porn Produktionen von Erika Lust.