Lange Zeit waren Feminist*innen vor allem damit beschäftigt, die frauenverachtenden Darstellungen in der traditionellen Pornoindustrie zu kritisieren. Doch zunehmend erkennen wir, dass es nicht genug ist, Kritik zu üben – es braucht auch aktive Gestaltung und die Übernahme der Kontrolle über die Produktionsmittel. Dieser Wandel hat sich vor allem dadurch vollzogen, dass Frauen selbst in die Pornoproduktion eingestiegen sind. Sie treten nun nicht mehr nur als passive Objekte der Begierde auf, sondern als Produzentinnen, Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen. Ein neues pornographisches Subgenre namens Fem Porn entsteht. Diese „New Pornographers“ verfolgen das Ziel, alternative, feministisch orientierte Darstellungen von Sexualität zu schaffen, die den tatsächlichen Bedürfnissen und Wünschen von Frauen gerecht werden.
Wo kein Käufer, da kein Wandel? Eine Industrie zu verändern, erfordert, auch ökonomisch nachhaltig zu arbeiten. Ein Schlüsselelement dieses Wandels ist, dass Frauen zunehmend auch als aktive Konsumentinnen in den Fokus rücken. Die Pornoindustrie beginnt zu erkennen, dass es ein wachsendes Marktsegment gibt, das nach Produktionen verlangt, die ihre Perspektiven und Erfahrungen widerspiegeln. Diese Entwicklung geschieht jedoch nicht aus reinem Altruismus, sondern als ökonomische Notwendigkeit, neue Zielgruppen zu erschließen.
Die feministischen Pornoproduzentinnen sehen in dieser Entwicklung eine Chance, die traditionellen, patriarchalisch geprägten Darstellungen von Geschlecht und Sexualität herauszufordern. Sie versuchen, Frauen als selbstbestimmte Subjekte der Lust darzustellen und neue Narrative jenseits der gängigen Klischees zu entwickeln. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Arbeit von Erika Lust, die in ihren Filmen die weibliche Perspektive in den Mittelpunkt stellt. Allerdings zeigt sich auch, dass diese Transformation alles andere als eindeutig ist. Selbst in feministischer Pornografie finden sich oft noch Reste der traditionellen Geschlechterrollen und Genrekonventionen. Körper sehen noch verhältnismäßig genormt aus, die Praktiken bzw. Male Gaze oder Homosexualitätsverbot bei Männern persistiert mitunter (man betrachte zb. wie MMF Dreier dargestellt werden). Gleichzeitig handelt es sich um kommerzielle, um nicht zu sagen kapitalistische Unternehmungen, die ihren ethischen Ansatz oft nicht ganzheitlich integrieren. Feminismus wird zu einer symbolischen Komponente. Die Herausforderung besteht darin, einen wahrhaft emanzipatorischen Ansatz zu entwickeln, der die bestehenden Machtverhältnisse nicht nur oberflächlich infrage stellt, sondern tatsächlich überwindet.
Trotz dieser Schwierigkeiten sehe ich in der wachsenden Präsenz von Frauen in der Pornoproduktion einen vielversprechenden Weg, um die Beziehung zwischen Feminismus und Pornografie neu zu definieren. Anstatt Pornografie nur zu verurteilen, können wir nun aktiv an der Schaffung neuer, selbstbestimmter Darstellungen von weiblicher Lust und Sexualität arbeiten.
Mehr dazu:
Das Buch Feminismus fickt! von Patrick Catuz über Perspektiven feministischer Pornoindustrie führt ihn von einer Kulturgeschichte zu seinen eigenen Erfahrungen bei Fem Porn Produktionen von Erika Lust.