Ist Gilette jetzt auf einmal feministisch?

Die neue Gilette Werbung hat im Netz für heftige Debatten gesorgt. Der Spot zeigt Männer, die Frauen belästigen, ihre Mitmenschen tyrannisieren und Frauen am Arbeitsplatz marginalisieren, während eine Reihe Typen am Grill mit Bier dabei zusehend mit den Schultern zuckt und es mit einem „Boys will be Boys“ quittiert. Beleidigte Männer drohen mit einem Boykott der Marke. Die Gegenseite sieht darin berechtigte Kritik an toxischer Männlichkeit. Und übrig bleibt die Frage, was Feminismus damit zu tun hat und wieviel Verantwortung einem Konzern zuzutrauen ist.

Foto: Steve Harvey

Gilette macht mit dem Spot ja ein durchaus starkes Statement über die problematischen gesellschaftlichen Probleme um Männlichkeit, von Alltagschauvinismus bis zu sexuellen Übergriffen. Vor allem deshalb, weil Männer darin in die Pflicht genommen werden. Dabei werden Problemmänner also zum Männerproblem. Doch was hat das überhaupt mit Männlichkeit zu tun? Der Begriff der toxischen Männlichkeit wurde von Connell in die Masculinity Studies eingeführt. Dort wird mittlerweile nicht mehr von einer einzigen Männlichkeit ausgegangen, sondern davon, dass es viele Männlichkeiten gibt. Toxische Männlichkeit bezeichnet eine Identifikation von Männern als männlich über ihre Vormachtstellung oder Überlegenheit, die diese gegebenenfalls über dominantes Verhalten, Zwang oder auch Gewalt herstellen, da der Verlust der Überlegenheit als identitätsbedrohend wahrgenommen wird.

Viele Männer reagieren ebenso beleidigt auf dieses Konzept, wie nun auf den Spot. Dabei geht das bestenfalls auf die Unkenntnis dessen zurück, dass gar nicht von allen Männern gesprochen wird, da ohnehin von verschiedenen Männerbildern ausgegangen wird. Ein spezifisches problematisches Männerbild wird als Problem eingestuft, eben als toxisch. Und angesichts der Anzahl der Fälle scheint es leider weit verbreitet zu sein. Menschenrechtsbewegungen, allen voran der Feminismus, sind schon lange der Ansicht, dass dagegen etwas unternommen werden muss. Dass sich nun ein Konzern dazu bekennt, ist zumindest überraschend. Gilette kritisiert in dem Spot zwar toxische Männlichkeit, appelliert aber vielmehr an die Männer, dabei mitzuhelfen, die Probleme zu lösen, also Teil des Wandels zu werden, Agenten einer besseren Welt für alle. Und erntet dafür massenhaft Kritik und sogar Boykottdrohungen. Was hat den Konzern dazu bewogen?

 

Ist Feminismus fancy geworden?

Zieht Feminismus als Verkaufsargument in Zeiten des Backlash, in denen überall die Trumps, Orbans, Kurz und Straches das Ruder übernehmen und Frauenpolitik drastisch abbauen? Stellen sich schon Unternehmen gegen diese bedenklichen Entwicklungen? Haben Bewegungen wie #metoo, Women’s Marches, über Czarny Protest bis hin zum Frauen*volksbegehren feministische Kritik tatsächlich im Mainstream verankern können? Oder wollte der Konzern einfach nur eine Kontroverse erzeugen und auf dem Rücken feministischer Anliegen einen Werbeeffekt generieren?

 

Die Frage lautet: Ist Gilette jetzt auf einmal feministisch?

Kurz: Vermutlich nicht. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und wenn überhaupt, ist bei Gilette erst der Frühling angebrochen. Ein Spot macht noch kein verantwortungsbewusstes Unternehmen. Vor allem nicht eines, das in der Vergangenheit keine Scheu hatte, Frauenkörper als sexy Aufputz für den Verkauf von Rasierklingen einzusetzen.

 


Ein Spot reicht nicht, um den Ruf als Chauvimarke loszuwerden, den man sich über Jahre verdient hat. Aber man muss einen guten Anfang auch nicht unbedingt schlechtreden. Es ist durchaus möglich, dass das Unternehmen seine Vision und Werte geändert und neue ethische Richtlinien für Werbung eingeführt hat. Wir sollten Gilette jedenfalls nicht so einfach aus der Pflicht nehmen und für ein einzelnes Statement feiern und darauf warten, dass sie uns in der nächsten Kampagne wieder mit der Aussicht auf sexy Frauen in Latexanzügen als Beute erfolgreicher Mannsbilder ködern. Nutzen wir die Gelegenheit also für lobende und mahnende Worte, die dem Konzern klarmachen, was wir uns in Zukunft von ihm erwarten.

Doch was darf man sich erhoffen? Ein Konzern wird bestimmt nicht nur von uneigennützigen Motiven bewegt (sonst wäre es eine NGO). Sokee meinte, Gilette sei immer noch „Ein Konzern wie jeder andere. Der Kapitalismus frisst, verdaut und scheißt aus, was er nur kann.“ Genauso wie H&M, ein Konzern dem gerade vor knapp über einem Jahr wieder Kinderarbeit vorgeworfen wurde, mit „Power to the girls“ wirbt.

Die Debatte um CSR, also Corporate Social Responsability, wird wohl immer eine zwischen Glaubwürdigkeit und Whitewashing bleiben. Denn Hauptinteresse eines Konzerns ist Profit, somit entdecken sie ihre Verantwortung in der Regel erst dann, wenn Kritik die Verkaufszahlen drückt oder sie sich einen Imagegewinn erwarten können. Das kann auch im Kleinen etwas bessern. Das Lob auf solche Aktionen sollte aber Grenzen kennen.

Auf jeden Fall hat der Spot eine Debatte angestoßen. Ob diese Debatte zu etwas führt oder nicht, ist abhängig davon, wie sie geführt wird. Und das ist weder durch den Spot festgelegt, noch dadurch, wie ehrlich die Beweggründe von Gilette waren. Es geht vielmehr darum, wie viele Menschen in öffentlichen und privaten Gesprächen, die der Spot anstößt, sensibilisiert werden können. Und ich freue mich, dass wir sie endlich auf so breiter Basis führen können.