Als ich vor 5 Jahren schon mal die Frage gestellt habe, wie wir mit offen islamophoben feminstischen Strömungen oder Gruppierungen umgehen wollen, habe ich oft die Antwort gekriegt: „Die sind ja eh nicht feministisch.“ Das macht es etwas leichter, sich als Bewegung weniger hinterfragen zu müssen. Nun gibt es eine junge und lebhafte TERF Community („trans exclusive radical feminists“), die einen unbändigen Hass auf Trans-Menschen ins Netz schreit. Die Frage, nach der Kluft innerhalb des Feminismus und was man damit macht, stellt sich erneut.
Mir macht das Thema wieder Gedanken, weil ich dieser Community gerade begegnet bin. Angenehm ist das nicht, weil sofort offen feindseelig debattiert wird. Nachdem ich die Grüne Abgeordnete Faika El-Nagashi nach ihrem Falter Interview kritisiert hatte – gar nicht für das Interview selbst, sondern für eine hahnebüchene Statistik aus dubioser Quelle, die sie geteilt hat, die suggeriert, Trans-Menschen wären besonders oft für Sexualstraftaten verantwortlich – hat gleich eine Reihe an TERFs auf meine Kritik reagiert und sich gegenseitig dabei gefeiert. Das begann auch gleich damit, mir zu unterstellen, ich würde Sexualstraftäter schützen, bzw. auch ich selbst die Grenzen von Frauen nicht respektieren (weil ich mich auf die Seite von Trans-Personen stelle?). Sie sind der Meinung, Männer würden sich als Frauen verkleiden, um Frauen in öffentlichen Toiletten zu attackieren, die ganze Trans-Rights-Thematik sei nur ein Trick von Sexualstraftätern. Ich habe entgegnet, dass es dafür keinerlei Grundlage gibt und es für die dramatische Lage der Gewalt gegen Frauen Präventionsmaßnahmen braucht (vor allem hinsichtlich männlicher Gewalt). Dann hatten sie abermals eine Statistik in der Hand, die belegen würde, dass Trans-Personen besonders oft Sexualstraftaten begehen – es war dieselbe Statistik, die El-Nagashi geteilt hat, ebenjene, die mich erst zu meiner Kritik bewogen hat. Man dreht sich also im Kreis einer selbstbestätigenden Echo-Kammer.
Ich habt sicher mitgekriegt, wie @el_nagashi in die Kritik geraten ist, weil sie einseitige trans-exklusive Positionen in einem „das wird man wohl noch sagen dürfen“ Interview im @falter_at wiederkäut. Das größere Problem ist aber ein ganz anderes: 1/7 https://t.co/3qqfORxGML
— Patrick Catuz (@patrickcatuz) July 14, 2022
Zu besagter Statistik: Verteilt wird sie von der Seite fairplayforwomen, die angeblich für Bewusstsein, aber auch Analyse und Beweisführung beiträgt, was Frauenrechte in England betrifft. Es ist aber einfach eine Anti-Trans-Kampagne. Schon auf der Startseite geht es im Großteil der Artikel darum, sich gegen Trans-Rechte zu positionieren. Die „Statistik“, die sie teilen, hat die Seite auch selbst ins Rollen gebracht: Sie hatten behauptet, dass 41% der Trans-Personen im Gefängnis für Sexualstraftaten verurteilt worden wären. Das beruht tatsächlich auf einer offiziellen Erhebung in England und Wales, allerdings sagt das englische Justizministerium dazu auch, dass diese Zahlen unverlässlich sind und nicht die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln, weil oft das Geschlecht nicht erhoben wurde, was bedeutet, dass die meisten Transgender-Personen in Strafanstalten gar nicht als solche erfasst werden. Es ist höchst problematisch gegenüber einer marginalisierten Gruppe mit falschen Zahlen zu argumentieren, die suggerieren, sie wären besonders häufig für Sexualstraftaten verantwortlich. Hier schürt man unbegründete Ängste, um gegen eine Minderheit vorzugehen. Genau das kennen wir schon, in der Diskussion um Flüchtlinge oder den Islam.
Die Community kapriziert sich – und emotionalisiert sich – stark auf „geschlechtergetrennte Räume“, weil man damit gut Angst machen kann. Sie haben nämlich Sorge, dass sich Sexualstraftäter in Frauengefängnisse transferieren lassen. Vordergründig zeigt sich das an der „Toilettendiskussion“, nämlich die Angst, Vergewaltiger könnten als Frauen verkleidet „ganz legal“ in Damentoiletten wüten. Tatsächlich lässt sich ein Vergewaltiger nicht von getrennten Toiletten beeindrucken, ganz abgesehen davon, dass ein Großteil der Verbrechen von Männern begangen wird und davon der überwiegende Anteil von solchen aus dem privaten oder familiären Umfeld. Hier braucht es Präventionsarbeit, aber es geht ja gar nicht darum, diese Probleme zu lösen. „Trans-Rights are Men’s Rights“ steht in einem Twitter-Profil und zeigt deutlich, dass der Kampf gegen Transgender ganz oben auf der Agenda steht. Häufig finden sich unter den Profilen auch Abolitionistinnen, also die Forderung nach einem pauschalen Verbot von Sexarbeit.
Man erinnert sich noch, wie vor fünf Jahren behauptet wurde, Flüchtlinge wären alle Mörder und Vergewaltiger und man müsse Frauen vor ihnen schützen. Auch damals war der Falter (die Zeitung des „Das wird man wohl noch sagen dürfen“) mit einer unsäglichen Karikatur wieder mit an Board. Der islamophobe Feminismus von damals ist derselbe, wie die TERF Community heute. Ein Teil davon mag von der Second-Wave Bewegung der 70er Jahre sein, Alice Schwarzer, die EMMA und ihre Gefolgschaft, doch sie haben längst neue Generationen, die im Netz-Feminismus als TERFs auftauchen. Sie gehören zusammen und ihre „trans exklusion“ ist nicht das einzige Problem. Die Begriffe „Emma-Feminismus“ oder „TERFs“ zersegmentieren das Problem und halten uns davon ab, sie als gemeinsame Strömung zu betrachten. Zeit, sie beim Namen zu nennen und uns zu überlegen, wie man damit umgehen kann. Ist es ein rechter oder ein konservativer Feminismus? Die Frage ist keine theoretische: Alle, die feministisch aktivistisch tätig sind, werden sich nämlich für manche Anliegen in Allianzen wiederfinden und mit ebenjenen Personen zusammenarbeiten, demonstrieren, etc., zb. wenn es um Kampagnen gegen Gewalt an Frauen (wenn sie sich nicht bloß gegen Ausländer oder Trans-Personen aufstellen) geht oder um Abtreibungsrechte zu schützen. Möchte man das? Kann man sich auf partielle Zusammenarbeit einigen und auf anderen Ebenen gegeneinander ankämpfen? Ich habe dazu keine feste Meinung und würde mich freuen, eure Meinung dazu zu hören.
Unterdessen schließe ich mit dem Text aus meinem Coverbild: Man hat selbst nicht mehr Rechte, wenn man sie anderen versagt. Das ist ein feministischer Spruch, der sich eigentlich an Männer richtet. Und den richten wir im Namen der Trans-Community nun an diese feministische Strömung auf Abwegen.