Wieso wir das OnlyFans Problem missverstehen – und wie das dahinter viel gefährlicher ist

Ihr könnt euch sicher daran erinnern, wie die Kampagne „Trafficking Hub“ auf problematische Videos auf PornHub hingewiesen hat und die Geschichte in allen Medien aufgetaucht ist. Damals hieß es, die Plattform wäre voll von Vergewaltigungs- und Missbrauchsvideos. Nun ist wieder eine Pornogeschichte in aller Munde: OnlyFans wird nun beschuldigt, jene fallenzulassen, auf deren Rücken sie groß geworden sind. Beides ist nicht ganz falsch, aber eben auch nicht richtig. Und dahinter steckt eine noch viel größere Gefahr, die niemand sieht. 

Trafficking Hub

Erst wurde behauptet, es ginge um Investoren. OnlyFans ist bereits ein Multi-Millionen-Dollar Unternehmen, Investoren würde man nur brauchen, wenn man zu einem Milliarden-Dollar-Unternehmen der Größenordnung Facebook aufsteigen wollte. Das geht wohl tatsächlich nur im Mainstream (und ohne Porno). Das das nach hinten losgehen kann, hat die Geschichte von Tumblr gezeigt. Die Plattform war eine wichtige Schnittstelle für Pornofans und dadurch auch erfolgreich. Yahoo/Verizon hat die Plattform an ihrem Höhepunkt um 1,1 Milliarden gekauft. Sie strebten nach mehr und haben Pornos auf der Plattform verboten, wodurch die Plattform massiv an User und in der Folge auch an Wert verloren hat. Dieses Jahr wurde Tumblr an Auttomatic, die Besitzer von WordPress, für um weniger als ein Fünftel des Kaufpreises weiterverkauft.

Zahlungsdienstleister Mastercard PayPal

Dieser Geschäftsplan ist also äußerst riskant. Das steckt aber ohnehin nicht im Kern der Sache. Problem ist nämlich eine Welle an Policy Änderungen großer Finanzdienstleister, bei Mastercard, Paypal und vielen anderen. Die kündigen plötzlich ihre Deals mit Plattformen die Pornos absetzen. Da wird seit einiger Zeit vielen der Hahn zugedreht, seit fast zwei Jahren ist der Vorgang durch den PornHub und OnlyFans Streit bekannt. Dahinter geht es aber eigentlich um etwas ganz anderes.

Beide Geschichten, jene von PornHub und OnlyFans, hängen zusammen. Und dahinter steckt eine Kampagne, die alle betrifft, die sexuell explizites Material produzieren. Die ehemalige Opernsängerin Adrineh Simonian und ich, Aktivist und Filmemacher Patrick Catuz, machen bei Arthouse Vienna Pornos, mit denen wir versuchen zu zeigen, dass anderer Porno möglich ist, einerseits wie Pornos auch aussehen können, aber auch wie sie gemacht sein können, welche feministischen Ansprüche, Körpervielfalt oder auch ethische Arbeitsweisen machbar sind. Damit das ganze klappt, muss sich das auch Refinanzieren. So versuchen wir uns auch wirtschaftlich stark aufzustellen. Unsere Einnahmen steigen jedes Jahr, wir stecken aber trotzdem alles, was wir einnehmen wieder in neue Projekte und verdienen praktisch nichts mit unserer Arbeit.
Nun haben wir aber ein ganz anderes Problem: Seit einem Jahr können wir über weite Strecken quasi nichts verkaufen. Und wir sind nicht allein: Was in die Medien mit PornHub und OnlyFans als „Investorenproblem“ beschrieben wird, trifft nämlich vor allem kleine und mittlere Produzierende und EPUs (und viele auf OnlyFans sind genau das – Sexarbeitende, die sich alleine durchschlagen). Was hat das ganze jetzt mit einer neuen PorNO Kampagne zu tun?

Emma PorNO Kampagne

Hinter beiden Geschichten sowie hinter unserem Problem stecken religiöse und rechte Gruppen, die im Hintergrund massiv lobbyieren. Hinter der Trafficking Hub Geschichte steckt eine Organisation namens Exodus Cry, für die Porno grundsätzlich schlecht ist, die auch gegen Prostitution, Schwangerschaftsabbrüche und Homosexualität kämpft. Anders als die alten PorNO Kampagnen zeigen sie sich nun nicht mehr offen und appellieren an die Politik, Porno zu verbieten. Nun machen sie es versteckt, lancieren Kampagnen gegen Pornoplattformen, lobbyieren bei Finanzdienstleistern, ihre Policies zu ändern, um mit Produzierenden expliziter Inhalte keine Geschäfte mehr zu machen. Man kann sich nicht verteidigen gegen etwas, das man nicht sieht und so legen sie das Messer auch direkt bei der (Über)Lebensgrundlage an.
Mit Erfolg: Mastercard hat nach der Trafficking Hub Kampagne, die auch von Alice Schwarzers Emma unterstützt wurde, gedroht, den Deal mit PornHub zu kündigen, dasselbe drohte nun OnlyFans. Die beiden Riesen konnten sich eine Lösung ausverhandeln, indem sie ihre AGBs stark ändern. Das reicht aber nicht, viele kleine und mittlere Pornoprojekte, darunter queere, feministische, ethische Initiativen haben nicht die Kohle Teams aus Anwälten zu monatelangen Verhandlungen zu schicken und nicht das Finanzvolumen, dass sich große Institute für ihre Einwände interessieren (PornHub und OnlyFans sind Multimillionen-Dollar-Unternehmen). Sie alle – darunter auch Arthouse Vienna – liegen auf dem Trockenen. Und wir haben beispielsweise alle Papiere, alle Dokumente und keine Useruploads oder Ähnliches.

 

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In der Sache geht es auch gar nicht tatsächlich um problematische Videos. Amerikanische Meldestellen zeigen deutlich, dass der Großteil an Vergewaltigungs- und Missbrauchsvideos kein Problem der Pornoindustrie, sondern eines der Sozialen Medien ist. Alleine von Facebook gibt es das tausendfache an gemeldeten Fällen (ca. 20 Millionen), wie auf allen Plattformen von Mindgeek zusammen (ca. 13.000) und das sind immerhin PornHub, YouPorn, RedTube, Brazzers und viele andere große Pornoplattformen zusammen. Wenn man das Problem lösen wollte, dürfte man es nicht zu einem Problem der Pornoindustrie erklären und es damit weit weg von größeren gesellschaftlichen Kontexten schieben. Man müsste das Problem mit Sozialen Medien weiter thematisieren und Lösungen forcieren, die wir ja auch für Hate Speech und Fake News noch immer dringend brauchen.

Hinter diesen Sachen steckt ein Krieg gegen die Pornoindustrie im allgemeinen und dahinter stehen Gruppierungen, die auch gegen Sexarbeit, Schwangerschaftsabbrüche und Homosexualität kämpfen. Im Moment sind sie leider überaus erfolgreich und zwar nicht gegen Vergewaltigungs- oder Missbrauchsvideos (die tummeln sich immer noch ganz woanders), aber ihr verstecktes Lobbying ist äußerst effizient gegen die Pornoindustrie insgesamt und sie treffen damit eben nicht nur große Plattformen, die sich da rausverhandeln können, sondern viel stärker einzelne Sexworker und auch Plattformen, die sich sogar für bessere Pornos und ethische Arbeitsweisen in der Industrie einsetzen.

Wir müssen ihre Interessen offenlegen und uns zur Wehr setzen. Sie verhindern nicht nur, dass wir die Probleme lösen, die tatsächlich bestehen und sie vorgeben, zu adressieren, wir laufen auch Gefahr, noch viel mehr an Rechten und Freiheiten zu verlieren, die wir uns mühsam erkämpft haben.