Die neuen Star Wars Filme zeigen starke Frauen wie nie zuvor. Während die Kritik voll des Lobes ist, toben Teile der Fans. Warum erhitzt das die Gemüter so?
(Der Artikel ist im Original bei den Feministischen Zwischenrufen des Gunda Werner Institutes erschienen)
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Kurz: Weil Star Wars Männersache. Mich hat ja meine Freundin in’s Kino gezerrt. Sie ist seit ihrer Kindheit Fan, mir ist es neu. Im Kinofoyer sagte sie zu mir: „Die glauben jetzt sicher alle, ich schau mir das nur für dich an.“ Kein Wunder, so männlich wie Star Wars über fast 40 Jahre besetzt wurde. Trotz vereinzelt starker weiblicher Figuren war das Franchise bisher weiß und männlich dominiert. Das ist nicht nur ein Problem von Star Wars Franchise. Allgemein spielten Frauen in Blockbuster-Filmen eher selten die erste Geige. Ellen Ripley (Alien), Sarah Connor (Terminator), Katniss Everdeen (The Hunger Games) – sie alle eroberten einen Platz im Popkulturhimmel. Und doch ist es nur ein Plätzchen. Die meisten weiblichen Figuren, wie Prinzessin Leia (Star Wars), Triniti (Matrix) oder Hermione (Harry Potter) besetzen nämlich streng genommen nur Nebenrollen.
Star Wars, ein Kind seiner Zeit?
In den ersten beiden Trilogien gibt es je nur eine einzige relevante weibliche Figur. Doch nicht nur das: Stark wird sie bestenfalls in ihrer Einführung präsentiert. Leia ist im ersten Teil, der Ende der 70er erschien, die einzige Hoffnung, hält sie doch die Pläne des Death Star in Händen. Sie ist eine handlungstragende Figur, zumindest bis sie im zweiten Teil immer mehr über die Beziehungen zu Männern definiert wird. Filmisch betrachtet dient sie dann der Charakterentwicklung der beiden männlichen Protagonisten. Im dritten Teil schließlich finden wir sie als Sexobjekt im Bikini wieder.
Leia ist dennoch eine Ikone für starke Frauen im Film geworden. Obwohl das selbst für die damalige Zeit etwas dürftig war. Star Trek wartete schon in den 60er Jahren mit einigen weiblichen Charakteren auf und setzte auf Diversität. Das hat nicht mal viel mit Social Justice zu tun, Science Fiction ist prädestiniert dafür. Es wäre nur eine logische Annahme, dass in fernen Welten oder Dimensionen schlichtweg andere soziale Konventionen ausgebildet werden. Die Reproduktion zeitgenössischer Geschlechterrollen ist da genauso phantasielos wie unwahrscheinlich. Da George Lucas aber auch filmisch eher an der Zerstörung, denn an der Weiterentwicklung der Serie zu arbeiten schien, fiel die Figurenentwicklung der Trilogie um das Millenium (der ersten drei Episoden) ähnlich schlecht aus, wie das übertriebene CGI oder das langweilige Skript. Die einzig relevante Frauenfigur dieser Serie ist Padme. Sie ist im ersten Teil noch eine einflussreiche Politikerin. Über die drei Filme wird sie zu der geheimen, hilflosen, schwangeren Frau eines cholerischen Mannes, der auch ihr gegenüber gewalttätig ist. Am Ende stirbt sie an gebrochenem Herzen.
Erst die neuen drei Filme sind eine echte Weiterentwicklung. Sie haben nicht nur einen adäquaten Anteil weiblicher Figuren, sie gehen auch einen ganz radikalen Schritt weiter: eine weibliche Hauptfigur. Das ist für Star Wars schon eine kleine Sensation. Sie heißt Rey und ist ähnlich mysteriöser Herkunft wie einst Anakin oder Luke. Sie ist unabhängig, betreibt Handel, bewegt sich autonom über den unwirtlichen Planeten, kämpft. Als sie den desertierenden Storm Trooper Finn kennenlernt, ließe sich eine Lovestory anbahnen. Es soll aber eine Geschichte der Freundschaft und Solidarität werden. Sie ist somit die erste, voll subjektivierte weibliche Hauptfigur in einem Star Wars Film.
Genau das löste aber eine kleine Welle der Empörung aus. Feminismus hätte Star Wars zerstört, so heißt es. Nun tauchte auf Pirate Bay sogar eine alternative Version des ersten Teils auf. Ein selbsternannter „Männerrechtler“ entfernte weibliche Heldinnentaten. Der Unmut kam nicht ganz unerwartet. Die Skepsis über den Erfolg einer weiblichen Protagonistin ging so weit, dass die Spielzeugindustrie in der offiziellen Serie auf eine Actionfigur von Rey verzichtete. Man sei besorgt gewesen, Jungs würden nicht mit einer weiblichen Figur spielen wollen. Ein Shitstorm später wurde der Mangel behoben. Die Fans scheinen gespalten.
Nach sechs Filmen männlicher Protagonisten erlaubt man sich nun eine weibliche Hauptfigur. Vielleicht hätte es keinen Ärger gegeben, wäre sie eine Ausnahme geblieben. Doch Disney, die Lucas Films mittlerweile gekauft haben, erlaubt es sich auch noch einen großen Teil weiterer handlungstragender Figuren weiblich zu besetzen. Verdirbt dieser ganze Quotenmist jetzt auch noch unser Freizeitvergnügen? Sollte man nicht daran denken, was zur Story passt? Ja, klar. Genau das tut es ja auch. Die weibliche Färbung der neuen drei Star Wars Filme passt nämlich zum gesamten Bogen aller neun Star Wars Filme. Jede Trilogie folgt einem Muster, der sich in den folgenden drei Episoden wiederholt. Ein Mann, der zu Höherem berufen ist, ringt mit seinen inneren Konflikten. Männliche Emotionen werden dabei als gefährlich gesetzt. Der Auserwählte hat zwei Optionen. Die erste ist es, den Impulsen nachzugeben und zu einer Art interstellarem Hitler zu werden (ein Sith). Die zweite ist es, sich vom Gefühlsleben abzutrennen und eine Art galaktischen Buddha zu machen (ein Jedi).
Was hat diese Strategie gebracht? Obi Wan kann nicht auf die inneren Konflikte seines Schützlings eingehen. Macht ihn diese empathielose Erziehung vielleicht mit zu Darth Vader? Am Ende tötet er seinen Erzieher und Lehrmeister, der ihn nicht emotional ansprechen konnte. Der dunkle Sith-Meister konnte das schon und tat es doch nur, um ihn zu manipulieren. Am Ende töten sich der (neue) Meister und sein Schüler Vader gegenseitig. Bei Darth Vaders Sohn, Luke Skywalker, den er verlassen hat und gegen den er später kämpft, wiederholt sich fast dieselbe Geschichte. Er ringt mit seinen inneren Konflikten, über die alle Jedis nur den Kopf schütteln. Der Emperor spricht sie an, versucht ihn damit zu verführen. Dieser potentielle neue Ziehvater bringt ihn aber lieber um, sollte er sich anders entscheiden. In letzter Sekunde schreitet Vader ein. Alles was Luke von seinem Vater hatte, war wohl diese Rettung in letzter Minute – von einer Gefahr, in die ihn der Vater aber auch erst gebracht hat. Anakin und Luke, die Jedi und die Sith, zwei Seiten derselben Medaille und doch beide Teil desselben Problems. Eine Lösung nicht in Sicht.
Und dann kam Disney.
Alle führenden Männerfiguren in den ersten beiden Trilogien sind gescheitert. An ihren inneren Konflikten, im Kampf mit den eigenen Emotionen, mit Ego und Erwartungen. Sie haben sich von ihren Familien entfremdet, vereinsamen, zeigen asoziales Verhalten (Luke, Solo) oder richten Unheil und Zerstörung an (Vader, Ren). Sie setzen mit Impulsivität und Hauruck-Aktionen alles auf’s Spiel. Solo oder Poe sind zwar überaus sympathische Figuren, aber immer noch die klassischen Lebemänner. Sie spielen den Helden und gefährden in ihren Alleingängen mitunter mehr, als sie helfen. Poe missachtet Leias Befehl. Er erledigt zwar den Auftrag, hat aber dafür eine ganze Flotte geopfert, die sie noch dringend gebraucht hätten. Han ist immer noch der coole Space-Cowboy, zu Frau und Kindern hat er aber keinen Kontakt mehr. Er wird schließlich von seinem eigenen Sohn getötet.
Ines Kappert hat in ihrem Buch „Der Mann in der Krise“ gezeigt, wie der immer wiederkehrende Krisendiskurs bislang keine Lösung zuließ. Die alte Männlichkeit scheint dysfunktional, eine neue nicht gefunden. Filme wie Fightclub oder American Beauty zeigen stets nur die Optionen Rückkehr oder Zerstörung. Oft führt genau die Rückkehr zur Katastrophe, wie wir in der Politik sehen können.
Wie passt die weibliche Dominanz an führenden Figuren also in die Story? Die Männlichen gibt es nicht mehr, weil sie schlichtweg draufgegangen sind. In Übermut, Zorn, impulsiven Aktionen. Die Frauen versuchen nun, die übrigen Männer dazu zu bringen, über diesen Horizont hinauszublicken. Finn geht seinen Weg von der feindlichen Tötungsmaschine zum loyalen Freund – einer Frau wohlgemerkt. Poe wird vom übermutigen Haudegen zu einem Teamplayer, der auch weibliche Führung akzeptieren kann. So leben sie alle ein Stückchen länger und können auch der Gemeinschaft besser helfen. Ein Zusammenhalt der am Ende vielleicht die Rettung sein könnte.
Die neuen drei Episoden zeigen die letzte Hoffnung der guten Seite, nachdem sie in den vorigen sechs Teilen immer schwächer wurde. Die neuen Star Wars sind aber auch jener Funken Hoffnung für eine adäquatere Repräsentation im Filmgeschäft. Zukünftige Generationen von Star Wars Fans werden mit diesen Filmen aufwachsen, in denen starke, unabhängige Frauen ein Stückchen mehr zur Normalität geworden sind.
Das wahre Novum steckt aber im Plädoyer für Männer. Für eine neue, positive, soziale Männlichkeit. Eine Caring Masculinity. Und damit für eine demokratischere Gesellschaft.