Die Rückkehr des starken Mannes

Trump, Putin, Orban, Strache, Erdogan, Seehofer – der starke Mann in der Politik hat wieder Hochkonjunktur. Er steht nicht einfach nur für eine starke männliche Führungsfigur. Er ist das Symbol chauvinistischer Politik. Eine Politik als Melange zwischen „Anything goes“ und „der Stärkere hat Recht“. Nationalistisch, neoliberal, protektionistisch, rechtspopulistisch bis rechtsextrem heißt die konkrete Politik, die sich dahinter verbirgt. Die Person davor ist ein Symptom. Warum ist der starke Mann plötzlich wieder gefragt und warum kommt es gleichzeitig zu so starken antifeministischen Reflexen?

Foto: ©Rob Walsh

Überall wieder Männer. Dabei haben wir Jahre vom Mann in der Krise gesprochen. Das alte Modell taugte nichts mehr, das neue ward noch nicht gefunden. So hieß es kurz gefasst. Nun kehrt eine archaisch rückwärtsgewandte Männlichkeit ein. Ist die Krise überwunden? Oder stecken wir mitten drin?

Der Krisenbegriff ist so alt wie die bürgerliche Geschlechterordnung. Schon vom 19. auf das 20. Jahrhundert wurde die Krise der Männlichkeit emotional thematisiert. Das lag zum Teil auch an Errungenschaften von Frauen und dem Wandel in den Geschlechterrollen. Das war damals Zugang zu Bildungsinstitutionen oder auch die Frauenwahlrechtsbewegung. Sie drangen in Domänen vor, die zuvor exklusiv Männern vorbehalten waren. So ähnlich ist das nun wieder so. Nur geht es jetzt um andere Themen, wie beispielsweise die Repräsentanz von Frauen in den Vorstandsetagen oder klare Grenzen bei sexueller Gewalt. Es sind nötige Debatten und nur kleine Schritte. Dennoch lösen sie starke Ängste aus. Männer verlieren dabei zwar nicht, aber Frauen machen Boden wett. Durch den erweiterten Zugang für Frauen verringert sich jener für Männer ja nicht. Die gefühlte Krise ist kein faktischer Verlust von Macht, sondern ein gefühlter Verlust. Verloren geht einzig das Privileg, jener Gruppe anzugehören, die exklusiv diese Machtpositionen einnehmen darf.

 

Ich habe darüber mit Sabine Hark gesprochen. Hier das Interview als Video:

 

Das wird vor allem dann kritisch, wenn es an die Grundfeste männlicher Identität geht. In den ökonomisch schwächeren Bevölkerungsschichten merkt man das deutlicher. Während klassisch männlich konnotierte Fertigungsarbeiten immer weniger gebraucht werden, entstehen neue Arbeitsplätze vor allem im Dienstleistungssektor – einer eher weiblich verstandenen Sphäre. Ein Verständnis des Mannes als Versorger gerät an seine Grenzen. Für Frauen stellt sich eine lebensweltliche Ergänzung ein: Das Berufliche neben dem Häuslichen. Das ist auch eine Belastung, wenn Partner oder der Staat das nicht kompensieren. Gleichzeitig finden Männer den Ausgleich nicht, der lebensweltlich, identifikatorisch, letztendlich auch emotional die Löcher flicken kann. Der Mann als emotional Tragfähig, als sozialer Kitt im Umfeld, als Pfleger, als fürsorgliche Figur in der Familie ist nicht wirklich in den Männlichkeitsbildern im kulturellen Reservoir verankert. Hängt die Männlichkeit so stark an der Erwerbstätigkeit und gibt es keine Möglichkeiten zum Ausgleich, steigt der Druck enorm.

 

Sabine Hark über den Geschlechterkampf am Arbeitsmarkt:

 

Der starke Mann in der Politik wieder gefragt

Die starken Männer in der Politik, die Haudegen, Schreihälse, Hetzer und Spalter, vermitteln ein Bild der Stärke, das im Selbst verloren zu gehen droht. Oder dessen Verlust bereits schmerzhaft betrauert wird. Er spricht zunächst einmal emotional zu jenen Menschen, die sich mit dem Rücken zur Wand wähnen. Ihr Anspruch ist mit ihrer Leistung nicht vereinbar. Daran scheitert ihr männliches Selbstbild. Nun kommt jemand, der ihnen sagt, sie seien nicht selbst schuld daran. Gleichzeitig versprechen diese Politiker eine Rückkehr zur „Normalität“, die so nie existierte. Es ist eine Radikalisierung anhand eines übersteuerten Männlichkeitsbildes. Man könnte es fast als atavistisch bezeichnen. Es verspricht ein klares Weltbild mit einfachen Wirkungszusammenhängen in einer Welt, die dafür schon längst viel zu komplex geworden ist.

Gegenkonzepte fehlen leider noch weitgehend in der breiteren Öffentlichkeit. Die Caring Masculinities kommen kaum über die akademische Sphäre hinaus. Der Feminismus hat schon gezeigt, dass er dazu fähig ist, die Übersetzung von den Sozialwissenschaften zum Mainstream zu leisten. Der Feminismus ist die größte Gefahr dieser Politik. Deshalb beginnen sie auch so früh, ihn zu attackieren. In einem Umkehrschluss wird die Ursache für das eigene Identitätsproblem dort behauptet, wo eine Reflexion stattfinden könnte. „Männer dürfen nicht mehr Männer sein“ und „Gender-Wahn“ wird skandiert. Der Feminismus als billiges Feindbild.

 

Auswege aus der Krise

Dabei ging es eigentlich nie um eine Umkehrung der Männlichkeit, sondern um eine Ergänzung. Nicht nur sollten Männer mehr Möglichkeiten haben, als den harten Typen geben zu müssen, der 40+ arbeitet, keinen Schmerz kennt, sich aber von seiner Familie entfremdet, nie Bezug zu seinen Kindern hat und dafür mit einem Burnout belohnt wird. Sie sollten mehr Entfaltungsmöglichkeiten finden, mehr Räume, in denen ihnen Anerkennung und Respekt gewiss ist, als nur die archetypisch männlichen Reservate der Erwerbstätigkeit, des Sports und des Militärs. Das könnten bislang fast ausschließlich weiblich konnotierte Felder sein, wie Elternschaft, Pflege- oder Beziehungsarbeit. Insgesamt geht es aber darum, nicht das Versagen des individuellen Mannes zu betonen. Es würde den Feminismus in deren Augen nicht freisprechen, sondern Ressentiments nur noch höher kochen lassen. Feminismus sollte das machen, was er am besten kann: Das System angreifen. Und das geht am besten solidarisch.

 

In Zeiten des starken Mannes hat auch der Antifeminismus Wind in den Segeln. Doch sie könnte auch Chancen bergen. Denn jener starke Mann verschärft meist auch die ökonomische Kluft zwischen Arm und Reich. Das könnte Spielraum für neue Allianzen schaffen. Auch für den Feminismus. 

 

Women's March against Trump, Collage