Wozu ein Weltfrauentag?

Die Blumen müssen warten. Wozu brauchen wir einen Weltfrauentag? Wozu ein Tag, der uns an eine Gruppe Menschen erinnert, die knapp mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen? Eben weil sie eine Minderheit ist. Klingt komisch, ist aber so. Denn Minderheiten zeichnen sich politisch betrachtet nicht durch ihre Anzahl aus, sondern durch ihren Anteil an der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Mitbestimmung. Der Weltfrauentag ist vor über hundert Jahren entstanden und kommt ursprünglich aus den USA. Er wurde als Kampftag um das Wahlrecht der Frau begründet. Initiiert wurde er von Arbeiterinnen, bürgerliche Frauen schlossen sich an. Eine Frauenbewegung über Klassengrenzen hinaus. Heute sagt man Feminismus.

Unter den Nazis wurde er verboten, die standen mehr auf den Muttertag. Das passte besser zu ihrem Frauenbild. Frauen hatten in erster Linie zu gebären und Hausarbeit zu verrichten. Dafür gab es auch Blumen. Nach der Befreiung wurde er wieder eingeführt und fand seither ununterbrochen statt, auch wenn er immer noch als Muttertag missverstanden wird. Viele Menschen fragen sich, wozu wir so einen Tag brauchen. Vor wenigen Jahren plädierte Alice Schwarzer dafür, ihn abzuschaffen. Man solle aus dem Frauentag doch 365 Tage für Menschen machen. Also nichts, denn 365 für Menschen, das ist das Jahr bereits, seit es den Kalender gibt. Alice Schwarzer ist Feministin. Allerdings eine rechtskonservative. Ja, auch das gibt es. Weil es ihr gut geht, braucht sie so einen Tag vielleicht nicht mehr. Andere Frauen haben aber immer noch massive Probleme. Die muslime Frau ist aktuell gerne Feindbild. Aber Muslime basht Frau Schwarzer lieber in der Bild-Zeitung. Das Wahlrecht gab es nur durch Solidarisierung aller Frauen. Und auch die Solidarität der Männer brauchte es dafür. Denn das Wahlrecht für die Frau war in der Schweiz in allen Kantonen überhaupt erst Anfang der 90er Jahre eingeführt, weil eben nur Männer darüber abstimmen durften, weil Frauen ja – welch ein Zufall – kein Wahlrecht hatten. Nicht alle Männer nahmen schließlich Vernunft an, im letzten Kanton mussten die Frauen ihr Stimmrecht einklagen. Man erinnere sich daran, wenn man das nächste mal direkte Demokratie abfeiert. Vor allem bei Minderheitenrechten geht das ganz schön in’s Auge.

Also: Schönen Weltfrauentag! Wo sind die Blumen? Die gibt’s später. Erst nutzen wir den Tag dafür, uns daran zu erinnern, warum wir Feminismus immer noch dringend brauchen:

Der mächtigste Mann der Welt ist ein Typ, der wörtlich gesagt hat, dass man als berühmter Mann mit Frauen machen könne, was man wolle. Man könne sie auch einfach zwischen den Beinen begrapschen. Er hat das unflätiger ausgedruckt, ich wiederhole das lieber nicht. Ihr kennt ja das Video. Auch in Österreich sind antifeministische Ideologen wieder stark. Der Präsidentschaftskandidat Hofer gab ein Buch heraus, dass Frauen daran erinnern sollte, „Brutpflegetrieb“ über Selbstverwirklichung zu stellen. Man sehe sich auch die Emotionen an, welche die Änderung von wenigen Worten in der Hymne ausgelöst haben. Für das Würdigen unserer Töchter hat die Bundesministerin Morddrohungen erhalten. Woher kommt diese zerstörerische Wut?

Genderwahn, Formulierungen, gendern, geschlechtersensible Sprache

Genderwahn, Formulierungen, gendern, geschlechtersensible Sprache

Nein, der Weltfrauentag endete nicht mit dem Wahlrecht, es war erst der Anfang! Gründe, den Feminismus für überholt zu erklären, gibt es nicht. Es sieht sogar recht düster aus. Doch erst im Dunkeln sehen wir, wie hell unser Feuer brennt. Denn bei dieser Gelegenheit konnten wir feststellen, wie stark wir eigentlich sind! Weltweit demonstrierten nach der Amtsübernahme von Trump abertausende Frauen für ihre Rechte. Der Feminismus ist nicht nur wieder um einiges notwendiger geworden, er erlebt auch viel massiveren Zulauf. Und entfaltet eine beeindruckende Stärke. Ein Grund für Optimismus.

Women's March against Trump, Collage

Aber warum haben Frauen Frauen weltweit demonstriert, wenn die Sachen teilweise gar nicht in ihrem Land passiert sind? Aus Solidarität. Aus demselben Grund, aus dem sich schon vor hundert Jahren bürgerliche Frauen den Märschen der Arbeiterinnen angeschlossen haben. Wenn sich nur direkt Betroffene dazu berufen fühlen, werden wir es nicht schaffen, etwas zu ändern. Es ist ein bisserl wie mit der Schweiz: Es ist letzten Endes an den Männern gescheitert, dass das Ganze nicht früher über die Bühne gebracht wurde. Sie können aber auch wichtige Mitstreiter sein, um das Ruder letzten Endes rumzureißen. Es finden sich viele Männer da draußen, die anders denken. Männer, die sich mit feministischen Ideen anfreunden können oder sie gut finden. Sie haben nur noch nicht alle verstanden, dass es sie etwas angeht. Dass sie etwas dafür tun können. Weil es nicht nur die Möglichkeiten für Frauen erweitert, sondern auch die eingeschränkten Rollenbilder für Männer lockert. Und natürlich aus Solidarität. Feminismus ist eine Menschenrechtsbewegung.

Warum ich als Mann ein Feminist bin? Weil es alle Menschen sein sollten.

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Dieser Kommentar erschien ursprünglich in einer leicht abweichenden Version in:
Woman Frauenmagazin